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Endlose Amtszeit oder Amt auf Zeit?


Meine Positionen zum Versorgungswerk veröffentliche ich ab sofort unter WWW.REFORMWERK.INFO.

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Nein, es geht an dieser Stelle nicht darum, 

  • dass Herr Weitzmann bereits seit 2004 Mitglied des Verwaltungsausschusses ist, Herr Dr. Bonvie seit 2001, Herr Dr. Cadmus seit 2001, Herr Henning seit 2005 und Herr Weitbrecht seit 2001, wobei dies dahingehend ergänzt werden muss, dass die Formulierung "seit 200x" insofern falsch ist, dass sie den falschen Eindruck erweckt, die fünf Genannten seien aktuell im Amt. Tatsächlich ist dies lediglich bei Dr. Bonvie der Fall, der als einziger auf einer der beiden letzten Mitgliederversammlungen mit der nach der Satzung erforderlichen Dreiviertelmehrheit gewählt wurde. Die anderen vier Genannten sind, obwohl nunmehr im zweiten Jahr (!) von niemanden gewählt, nach eigener Ansicht "kommissarisch" im Amt,  weil halt kein anderer gewählt wurde. Der Fairness halber ist allerdings darauf hinzuweisen, dass Dr. Cadmus seit 2019 um die Wahl eines Nachfolgers bittet und Herr Weitbrecht 2021 nicht mehr kandidiert hat. Auch dies berechtigt aber nicht dazu, ein Amt wahrzunehmen, für das man nicht gewählt sind.
  • dass Amtszeiten von mehr als 15 Jahren - egal auf welchem Posten - in einer demokratischen Regeln folgenden Institution selten ein Zeichen von Kontinuität, sondern zumeist ein Zeichen von Stillstand sind. Wer meint, dies sei vorliegend anders, reflektiere am besten die letzten drei Initiativen des Verwaltungsausschusses, die das Versorgungswerk in der Sache (und dazu gehört nicht nur die Kapitalanlage) vorangebracht haben,
  • oder dass eine Demokratie vom Austausch von Meinungen und auch vom Wechsel der Personen an der Spitze lebt, was nicht bedeutet, dass bei jedem Personalwechsel ein Paradigmenwechsel stattfindet.

Es geht an dieser Stelle vielmehr schlicht darum wer nach Gesetz und Satzung die Geschäfte des Versorgungswerks führt und dieses vertritt, wenn ein oder mehrere Mitglieder des Verwaltungsausschusses aus dem Amt scheiden, ohne dass bereits Nachfolgende bestellt sind. Eine fernliegende Vorstellung und damit eine akademische Frage? Nun, beim Versorgungswerk ist sie bereits seit der Niederlegung des Amts eines Verwaltungsausschussmitglieds im September 2019 Realität, spätestens aber seit es der Mitgliederversammlung im September 2020, als die Amtszeiten aller Mitglieder des Verwaltungsausschusses abliefen, nicht gelang, auch nur einen Nachfolger zu wählen. 

Wer nun "reagiert" in dem Fall, dass der Verwaltungsausschuss ganz oder teilweise unbesetzt ist, das Versorgungswerk? Ein Blick in das Gesetz (und die Satzung) erleichtert auch hier die Rechtsfindung.

1. Regelungen im RAVersG

Im RAVersG findet sich (derzeit) nur eine Norm, die ihrem Wortlaut nach einschlägig sein könnte, wenn es in § 9 Abs. 4 RAVersG heißt:

„Die Mitglieder des Verwaltungsausschusses und des Widerspruchsausschusses bleiben bis zu einer Neuwahl oder ihrer Abberufung im Amt“. 

Klingt gut? Passt aber nicht! § 9 RAVersG beinhaltet schon ausweislich der amtlichen Überschrift ("Übergangsbestimmung aus Anlass der COVID-19-Pandemie")  Regelungen, die die Handlungsfähigkeit des Versorgungswerks während der Corona-Pandemie sicherstellen sollen. § 9 Abs. 4 RAVersG regelt dabei speziell den Fall, dass die rechtzeitige Neuwahl des Verwaltungsausschusses vor dem Ablauf der Amtszeit pandemiebedingt scheitert. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung aus dem Mai 2020, die sich wie folgt liest:

"[§ 9] Absatz 4 [RAVersG] bestimmt, dass die Mitglieder des Verwaltungsausschusses und des Widerspruchsausschusses bis zu einer Neuwahl oder Abberufung im Amt bleiben. Die Amtszeit des bisherigen Verwaltungsausschusses läuft ab. Er müsste in der turnusgemäßen Mitgliederversammlung im September 2020 neu gewählt werden. Eine Regelung über die Notgeschäftsführung gibt es bisher nicht. Für den Fall, dass infolge der COVID-19-Pandemie eine Neuwahl scheitern sollte, ist daher eine Regelung erforderlich." [Bürgerschafts-Drs. 22/319, Seite 17, li. Sp.]

Vorliegend ist die Neuwahl aber nicht an der Corona-Pandemie gescheitert. Eine Mitgliederversammlung konnte und wurde trotz der Pandemie abgehalten. Auf dieser wurden auch Wahlen abgehalten. Allerdings erhielt kein Kandidierender, darunter der zweimal ohne Gegenkandidaten antretende seinerzeitige Vorsitzende des Verwaltungsausschusses Weitzmann, die nach der Satzung erforderliche Dreiviertelmehrheit. Eine Wahl wäre aber auch ohnehin unwirksam gewesen, da der Versammlungsleiter Weitzmann zuvor die erste Mitgliederversammlung ohne erkennbare Notwendigkeit geschlossen und eine weitere Mitgliederversammlung einberufen hat, die nach der Satzung aber keine Kompetenz zur Bestellung von Verwaltungsausschussmitgliedern hat.  Die Wahlen wurden abgebrochen, als sich bei der Auszählung des dritten Wahlgangs für die Position des Vorsitzenden herausstellte, dass zwischenzeitlich  wegen der fortgeschrittenen Zeit weniger als 100 Mitglieder anwesend waren. All diese Gründe, die dazu führten, dass die Wahlen scheiterten, hatten aber nichts mit der Corona-Pandemie zu tun, sodass kein Fall des § 9 Abs. 4 RAVersG vorliegt. 

2. Regelungen in der Satzung

In der Satzung findet sich ebenfalls lediglich eine Norm, deren Anwendung ihrem Wortlaut nach in Betracht kommt. Insoweit postuliert § 6 Abs. 4 der Satzung:

Der Verwaltungsausschuss führt nach Ablauf seiner Amtszeit bis zur Übernahme durch den neu gewählten Verwaltungsausschuss die Geschäfte weiter.

Auch diese Regelung beinhaltet aber keine Befugnis eines ausgeschiedenen Verwaltungsausschussmitglieds, seine Tätigkeit einfach über den Ablauf seiner Amtszeit hinaus fortzusetzen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die im Sommer 2020 erfolgte Einfügung von § 9 Abs. 4 RAVersG andernfalls schlicht überflüssig wäre. Zudem erfolgte die Einfügung von § 9 Abs. 4 RAVersG ausweislich der vorstehend wiedergegebenen Gesetzesbegründung ja gerade, weil es an einer Regelung über die Notgeschäftsführung fehlt, sodass § 6 Abs. 4 der Satzung keine Regelung zur Notgeschäftsführung darstellen kann.

Tatsächlich regelt § 6 Abs. 4 der Satzung die Situation, dass die Mitgliederversammlung bereits einen neuen Verwaltungsausschuss gewählt hat, wodurch die Amtszeit des bisherigen Verwaltungsausschusses automatisch endet. Für diese Situation sieht § 6 Abs. 4 der Satzung vor, dass die vormaligen Mitglieder des Verwaltungsausschusses die Geschäfte weiter führen (nicht: "im Amt bleiben"!), bis die neuen Mitglieder ihre Tätigkeit aufnehmen. § 6 Abs. 4 der Satzung beugt damit einer kurzzeitigen Führungslosigkeit im Fall eines bereits feststehenden Personalwechsels vor und setzt in seinem Anwendungsbereich eine bereits erfolgte (erfolgreiche) Neuwahl des Verwaltungsausschusses voraus. Gerade an dieser fehlt es vorliegend aber.

Dass § 6 Abs. 4 im Fall einer nicht erfolgreichen Wahl eines neuen Verwaltungsausschusses nicht einschlägig ist, ist den vormaligen Mitgliedern des Verwaltungsausschusses, die ein Jahr lang (vom September 2020 bis zum September 2021) als solche aufgetreten sind und größtenteils auch weiterhin trotz nicht erfolgter Wahl als  solche auftreten, auch bekannt. Dies wird dadurch belegt, dass der - seinerzeit noch amtierende - Verwaltungsausschuss für die Mitgliederversammlung 2020 einen Satzungsänderungsantrag ankündigte, der (vorgeblich „klarstellend“) die Einfügung folgender Regelung in die Satzung vorsah:

Ein Mitglied des Verwaltungsausschusses oder Widerspruchsausschusses bleibt bis zu einer Neuwahl oder der Abberufung im Amt.

Diese vom seinerzeitigen Verwaltungsausschuss angedachte, an § 9 Abs. 4 RAVersG angelehnte Satzungsänderung, die erkennbar den Zeitraum bis zur Wahl eines Nachfolgers regelt, macht aber nur Sinn, wenn man § 6 Abs. 4 der Satzung wie vorstehend dahingehend versteht, dass diese Norm lediglich die Zeit von der Wahl eines Nachfolgers bis zur Übernahme der Geschäfte durch diesen regelt. Andernfalls wäre die vom Verwaltungsausschuss angedachte Satzungsänderung überflüssig gewesen.

Gegen den angekündigte Satzungsänderungsantrag bestanden seinerzeit erhebliche Bedenken, die auf der Mitgliederversammlung 2020 deutlich zum Ausdruck gebracht wurden. So hätte die vorgeschlagene Änderung zur Folge gehabt, dass allein der Umstand, dass kein Nachfolger mit der erforderlichen Dreiviertelmehrheit gewählt wird, dazu führt, dass das Mitglied trotz abgelaufener Amtszeit im Amt bleibt. Selbst wenn ein Gegenkandidat 74,99% der Stimmen erhielte und niemand für den sich zur Wiederwahl stellenden Amtsinhaber stimmte, bliebe dieser im Amt. Faktisch würde damit die bloße Kandidatur des Amtsinhabers genügen, um im Amt zu bleiben, sodass die vom Verwaltungsausschuss vorgeschlagene Satzungsänderung tatsächlich einer Ewigkeitsgarantie gleichgekommen wäre. 

Aufgrund der geäußerten Bedenken wurde der Satzungsänderungsantrag schließlich zurückgezogen.

3. Und was soll der Verwaltungsausschusses tun, wenn keine Nachfolger bestellt sind?

Die Antwort auf diese Frage ist eindeutig. Gesetz und Satzung ermöglichen es den Mitgliedern des  Verwaltungsausschusses aus gutem Grund nur unter engen Voraussetzungen, über den Ablauf ihrer Amtszeit hinaus im Amt zu bleiben bzw. für das Versorgungswerk zu handeln. Eine eigenmächtige Fortsetzung des Amtes widerspricht dem grundlegenden demokratischen Grundsatz, dass wichtige Ämter nur auf Zeit vergeben werden und kann schwerwiegende zivilrechtliche und auch strafrechtliche Konsequenzen zur Folge haben (dazu nachfolgend). Dem sollte sich jeder Jurist bewusst sein.

Fehlt es - wie vorliegend - beim Ablauf der Amtszeit des Verwaltungsausschusses an bestellten Nachfolgern, wird der vormalige Vorsitzende zunächst gehalten sein, unverzüglich die Aufsichtsbehörde zu informieren, damit diese tätig werden kann. Das bloße Übersenden des Versammlungsprotokolls ist dazu nicht ausreichend. Die Aufsichtsbehörde wird dann über das weitere Vorgehen zu entscheiden haben, wobei es primär darum gehen wird, die Handlungsfähigkeit des Versorgungswerks sicherzustellen und sicherzustellen, dass schnellstmöglich Nachfolger von der (außerordentlich einzuberufenden) Mitgliederversammlung als einzig dazu legitimierten Organ bestellt werden. Die Aufsichtsbehörde wird, wenn sie gut beraten ist, dazu einen Antrag beim Verwaltungsgericht auf Bestellung der letzten Mitglieder des Verwaltungsausschusses zu Notgeschäftsführern mit der Auflage, für schnellstmögliche Neuwahlen zu sorgen, stellen; ob solch ein Antrag auch von den ehemaligen Mitgliedern selbst im Wege einer Art "öffentlich-rechtlicher actio pro socio" möglich wäre, ist eine akademische Frage, auf die es hier nicht ankommt. 

Macht der ehemalige Verwaltungsausschuss stattdessen (wie vorliegend) einfach weiter wie bisher, ist dies die falsche Wahl, die aber hinnehmbar sein dürfte und wohl auch hingenommen würde, sofern zeitnah eine außerordentliche Mitgliederversammlung zwecks Wahl eines Verwaltungsausschusses einberufen wird. 

Letztlich geht es an dieser Stelle aber nicht darum, was der vormalige Verwaltungsausschuss hätte machen können, sondern darum, was er getan bzw. nicht getan hat:

  • er hat nicht die Aufsichtsbehörde aktiv informiert, sondern 
  • er hat nach der Mitgliederversammlung 2020 die üblichen Papiere (Jahresabschluss, Prüfungsbericht, versicherungsmathematisches Gutachten) bei der Aufsichtsbehörde eingereicht, wohlwissend, dass diese die Unterlagen wie üblich mehr oder weniger unbeachtet ablegen wird,
  • er hat nicht zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung geladen, obwohl die pandemische Lage dies nahezu jederzeit zugelassen hätte und der Gesetzgeber zudem ja gerade wegen der Pandemie die befristete Möglichkeit eröffnet hat, virtuelle Mitgliederversammlungen abzuhalten (§§ 9 Abs. 1, Abs. 2 RAVersG); auch die mit Wirkung vom 01.01.2021 in die Satzung eingefügte Reglung des § 3 Abs. 3  n.F.. hätte die Möglichkeit einer virtuellen Mitgliederversammlung eröffnet.

Im Ergebnis haben die fünf vormaligen Mitglieder des Veraltungsausschusses alles in dieser Situation Naheliegende unterlassen und ihre Amtszeit stattdessen einfach eigenmächtig um ein Jahr verlängert und sich dadurch angemaßt, ohne jede rechtliche Grundlage oder demokratische Berechtigung Entscheidungen für über 10.000 Mitglieder zu treffen. Drei dieser fünf Mitglieder befinden sich seit Ablauf der Mitgliederversammlung 2021 bereits im zweiten Jahr, ein Weiteres bereits im dritten Jahr ihrer eigenmächtigen Amtszeitverlängerung.

4. Welche Konsequenzen ergeben sich für das Versorgungswerk und die Handelnden?

Ein vertretungsweise geschlossener Vertrag durch einen nicht zur Vertretung Berechtigten ist bekanntermaßen schwebend unwirksam; der Vertrag kann vom Vertretenden, vorliegend also dem Versorgungswerk, genehmigt werden, muss es aber nicht (§ 177 Abs. 1 BGB).  Aufgrund eines nicht genehmigten Vertrags Geleistetes kann das Versorgungswerk vom Leistungsempfänger unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung herausverlangen (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Zudem stehen dem Versorgungswerk ggf. Schadensersatzansprüche gegen die ohne Legitimation Handelnden zu, gleich ob diese als nicht berechtigte Geschäftsführer oder als nicht berechtigte Vertreter gehandelt haben. Sofern das Versorgungswerk eine D&O-Versicherung abgeschlossen hat, wäre zu prüfen, ob diese auch das Handeln Unberechtigter umfasst. Dies dürfte regelmäßig nicht der Fall sein. 

Die zivilrechtlichen Gefahren der unbefugt Handelnden ergeben sich spiegelbildlich aus Vorstehendem. Wer als Vertreter ohne Vertretungsmacht einen Vertrag schließt, haftet zudem dem Vertragspartner in dem Fall, dass der Vertrag vom Versorgungswerk nicht genehmigt wird, nach dessen Wahl auf Erfüllung oder Schadensersatz (§ 179 Abs. 1 BGB). 

Strafrechtlich besteht für die Handelnden die Gefahr einer Strafbarkeit unter dem Gesichtspunkt einer Amtsanmaßung. Dass (ordnungsgemäß gewählte) Mitglieder des Verwaltungsausschusses Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) StGB sind, hat der BGH bereits im Fall des ehemaligen Mitglieds des Verwaltungsausschusses L., der Name wird aus datenschutzrechtlichen Gründen hier und nachfolgend nicht ausgeschrieben, entschieden (BGH, Urteil vom 09.07.2009, Az. 5 StR 263/08 = BGHSt 54, 39). Eine Strafbarkeit nach § 132 StGB ("Wer unbefugt sich mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes befasst oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft") für jedes nach Ablauf der Amtszeit erfolgte Handeln kann daher wohl nicht von vornhinein ausgeschlossen werden.